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Renatus Deckert, Birger Dölling
Editorial
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Dies ist die letzte Ausgabe der Losen Blätter. Vor zehn Jahren erschien das erste Heft. 40 Hefte sind es am Ende geworden, 1220 Seiten. An Regalzentimetern könnten sie es beinahe mit Prousts Recherche aufnehmen. Doch wir wollen nicht vermessen sein. Eine literarische Zeitschrift ist das Gegenteil eines Klassikers. Stellt sie ihr Erscheinen ein, ist ihre Zeit abgelaufen. Wer liest schon in alten Zeitschriften, solange die vielen noch immer ungelesenen Meisterwerke vom Regal herab locken und drohen? Für die Leser der ersten Stunde sind die Losen Blätter nun ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Dem ein oder anderen Exemplar weist vielleicht ein wohlwollender Archivar ein trockenes Plätzchen zu. Der Rest ist schon lange im Altpapier.
| »Die wenigsten lesen ein Buch von Anfang bis zum Ende, auch wenn das nicht gerne zugegeben wird. In Zeitschriften dagegen soll man blättern, vor und zurück, bis man etwas gefunden hat.« So hat Michael Krüger zum fünfzigjährigen Jubiläum der Akzente geschrieben. »Wo kann man sich stärker der Hoffnung hingeben, auf einen Text zu stoßen, der einen verwandelt, als bei der Lektüre von Literaturzeitschriften?« Eben das war auch unser Credo: Texte zu finden und zu veröffentlichen, die den Leser verwandeln. In diesem Sinne haben wir auch diese letzte Ausgabe gestaltet, zu der Robert Menasse und Marcel Beyer einige Seiten aus ihren neuen, demnächst erscheinenden Romanen beigesteuert haben. Aus der Villa Massimo schickte Ingo Schulze eine Prosaskizze. Eine besondere Bewandtnis hat es mit der Lyrik in diesem Heft. Peter Rühmkorf, Lutz Seiler und Jan Wagner ließen sich von Fotografien Robert Häussers zu einem Gedicht inspirieren. Zusammen mit anderen sind diese Bilder und Texte gegenwärtig in Mannheim ausgestellt. Unsere Reihe fremdsprachiger Lyrik, in der wir in den vergangenen Jahren u. a. Gedichte aus Südkorea, Ungarn, Rußland und der Ukraine vorgestellt haben, beschließt eine Erzählung von Uwe Tellkamp. Sie handelt von einem Haiku des japanischen Dichters Yosa Buson.
| Dichter, so erklärt Durs Grünbein in seiner Dankesrede für den Berliner Literaturpreis, seien »Denker, die zuallererst ihrem Gehörsinn folgen, verlorene Wissenschaftler, die ohne Fußnoten arbeiten. Gut möglich, daß der Sinn ihres Tuns im Abschiednehmen liegt, dann wäre die Poesie eine Wissenschaft, die das Abschiednehmen lehrt.« Wir danken allen Autoren dafür, daß sie uns ihre Texte anvertraut haben. Und wir nehmen dankbar Abschied von unseren Lesern. Vielleicht blättern sie ja wirklich ab und an zurück.
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